Ulaanbaatar - Nichts als Schall und Rauch

Ulaanbaatar, die 1,2 Millionenstadt, beherbergt mittlerweile fast die Hälfte der mongolischen Bevölkerung. Dementsprechend ist sie für hiesige Verhältnisse groß, bunt und laut. Das Straßen ist überfüllt mit Autos, die ständig hupen, und trotz der eisigen Temperaturen sind zahlreiche Menschen in der Innenstadt unterwegs. Im ersten Moment wirkt die Hektik und Geschäftigkeit in Kombination mit der Tatsache, dass man (mal wieder!) nichts lesen oder verstehen kann, einschüchternd. Doch schnell merkt man, dass das vermeintlich aggressive Hupen eher zur Kommunikation gedacht ist, dass viele Mongolen einem bei der Suche nach etwas hilfreich zur Seite stehen und dass die eigentümliche Mischung aus modern und traditionell irgendwie sympatisch ist.

Zu den Hauptverkehrszeiten werden zusätzlich zu den Ampeln Polizisten eingesetzt
Zu den Hauptverkehrszeiten werden zusätzlich zu den Ampeln Polizisten eingesetzt

Flexible Öffnungszeiten und Eiersuche

Das erste, das mir auffiel, war der Dunst, der dauerhaft über der Stadt hängt. Die Luftverschmutzung durch Autoabgase, aber auch durch die zahlreichen zum Heizen verwendeten Kohleöfen und die Industrie, ist kaum zu übersehen. Hier tragen manche Menschen sogar einen Mundschutz, wie in anderen asiatischen Großstädten. Der hilft immerhin auch etwas gegen die Kälte, die es einem manchmal schwer macht, etwas zu unternehmen. An manchen Tagen war ich, trotz unzähliger Lagen Kleidung, nach zwei Stunden komplett durchgefroren und musste mich irgendwo aufwärmen, meistens in meinem warmen, kuscheligem Bett im Hostel. Die Kälte machte mich irgendwie träge und ich war nicht sehr motiviert, die häusliche Wärme zu verlassen. Eine der ersten Sehenswürdigkeiten, die ich mir ansah war der zentrale Dschingis-Khan-Platz. Die Reiterstatue in seiner Mitte stellt nicht, wie man erwarten würde, den mongolischen Nationalhelden Dschingis Khan dar, sondern eine andere historische Persönlichkeit, den Revolutionsführer Sükhbaatar. Er spielte eine wichtige Rolle bei der Befreiung von der chinesischen Besatzung. Der Platz war früher sogar nach ihm benannt, doch wurde 2013 zu Ehren Dschingis Khans, den die Mongolen als ihren Gründungsvater verehren, umbenannt. Seine Statue sticht vor allem am Abend ins Auge, wenn sie hell erleuchtet ist. Um den riesigen Platz stehen alte Gebäude direkt neben modernen Glas- und Betonbauten und überall wird neu gebaut. Etwas weiter westlich, mitten in dem sogenannten Gerviertel, liegt das Gandan Kloster. In 1838 gegründet wurde es das religiöse und intellektuelle Zentrum der Mongolei. Obwohl auch dieses Kloster von der Zerstörung der sowjetischen Regierung nicht verschont wurde, konnte es schon 1944 unter Aufsicht der Geheimpolizei wieder geöffnet werden. Vor dem Eingang versammeln sich zahlreiche Tauben, die manchmal von Passanten gefüttert werden. Es war ein ziemlich eindrucksvolles Spektakel, wie die Tauben sich auf das Futter (und die Person) stürzten.

Eine zusätzliche Schwierigkeit bei meinen Unternehmungen waren die sehr flexiblen Öffnungszeiten. Das beste Beispiel hierfür lieferte das Choijin-Lama-Kloster. Ich war an einem Donnerstag Nachmittag dort und laut Reiseführer war es geöffnet, laut Schild neben der Tür war es geöffnet. Aber es war geschlossen! Ich schaute nochmal auf die Öffnungszeiten "Open in winter Tue - Sat 10:00 - 16:00" und rüttelte irritiert an der Tür. Daraufhin kam ein Wachmann und sagte: "No, no, closed! Open Tuesday! Come Tuesday!" Jeder Versuch ihn darauf hinzuweisen, dass auf dem Schild etwas anderes stand, war vergebens. Auch meine Suche nach den versteinerten Dinosauriereiern, die ich unbedingt sehen wollte, war erfolglos. Laut meines Reiseführers (Auflage 2015!) sollten sie in dem Natural Science History Museum ausgestellt sein, aber das existierte gar nicht mehr. Im National History Museum gab es leider keine Spur, die auf Dinosauriereier hindeutete. Dafür konnte ich traditionellen mongolischen Kopfschmuck bestaunen, der aussah als wäre er von Königin Amidala aus Star Wars. Außerdem faszinierend fand ich die Tatsache, dass Mädchen und junge Frauen ihre Toilettenartikel; bestehend aus einem Nagelreininger, einem Zungenschaber, einem Zahnstocher, einem Ohrenreiniger und einem kleinen Parfümbehälter; als Schmuck an einem Amulett trugen. (Leider durfte ich im Museum keine Fotos machen.) Nachdem ich sogar Einheimische erfolglos an meiner Eiersuche beteiligt hatte, musste ich sie leider aufgeben. Ich schaffte es aber das International Intellectual Museum, mit seinen verschiedene Geduld- und Knobelspiele, davon viele aus Holz, zu finden. Die Vielfalt war einfach unglaublich, es gab sogar ein Ger inklusive Einrichtung, das komplett aus solchen Holzpuzzles bestand. Ich konnte nicht widerstehen und erstand ein kleines Schwein bestehend aus 13 Teilen im Museumsshop.

Augen zu und mit dem Finger drauf zeigen!

Auf dem Black Market in Ulaanbaatar bekommt man so ziemlich alles, was man zum Leben braucht; Kleidung, Schuhe, Haushaltswaren, sogar alles, was man für den Bau eines Gers braucht (inklusive Inneneinrichtung) und noch vieles mehr. Der Markt ist riesig, voll und geschäftig. Zahllose Stände mit Planen überdacht stehen dicht beieinander, dazwischen schmale Gänge, in denen man sich an feilschenden Mongolen vorbei schlängeln muss. Hier herrscht fast überall ein Gedränge, das den Taschendieben die Arbeit erleichtert. Der Black Market, offiziell Naran Tuul Market genannt, ist ein wahres Paradies für sie, deswegen sollte man darauf verzichten eine Tasche oder teure Gegenstände mitzunehmen. Nur mit dem Nötigsten, das wir so sicher wie möglich verstaut hatten, wagten wir uns in das emsige Treiben. Der Markt wird hauptsächlich von Einheimischen besucht, während unseres ganzen Besuchs sahen wir keine anderen Touristen. Es gab auch keine kitschigen Mongoleisouvenirs zu kaufen oder aufdringliche Verkäufer, dafür alles andere. Besonders angetan war ich von den schön bestickten traditionellen Stiefeln und Mänteln. Mittags besuchten wir eine der kleinen Kantinen, in denen die Einheimischen essen. Das Problem war nur keiner konnte Englisch und auch die Karte war nur auf Mongolisch. Wir hatten uns fast entschlossen einfach die Augen zuschließen und auf etwas zu zeigen, als sich uns eine andere Möglichkeit offenbarte. Unser Tischnachbar hatte ein sehr appetitlich aussehendes Gericht vor sich stehen. Wir tauschten ein paar Gesten aus und dann deutete er auf eines der unverständlichen Wörter auf der Karte. An der Kasse deuteten wir auf genau das Selbe und bekamen ein leckeres, günstiges und typisch mongolisches Essen. 

Nicht verpassen sollte man das Zaisan Denkmal. Es wurde zu Ehren gefallener sowjetischer Soldaten auf einem Hügel südlich von Ulaanbaatar errichtet und überblickt die gesamte Stadt. Da ich genug Zeit in UB hatte, konnte ich auf einen klaren Tag ohne viel Smog warten, was aber wiederum bedeutete, dass es eiskalt (-29°C) war. Auf dem Weg dorthin besuchte ich noch den Winterpalast des Bogd Khan, hauptsächlich um mich aufzuwärmen. Er besteht aus mehreren Tempeln und dem "Palast" in dem der Bogd Khan, das frühere religiöse und politische Oberhaupt der Mongolei, im Winter residierte. Eigentlich ist es ein sehr schlichtes und verhältnismäßig kleines Haus, aber gerade das war interessant. Anscheinend müssen nicht alle Herrscher in überdimensionierten, prunkvollen Residenzen leben. Ich brauchte noch einen heißen Kaffee zum Aufwärmen, dann setzte ich meinen Spaziergang fort. Vorbei an einer großen Buddhastatue musste ich noch einige vereiste und rutschige Stufen erklimmen, um endlich den fabelhaften Blick auf die Stadt genieße zu können. In dem runden Denkmal sind Szenen aus der mongolisch sowjetischen Freundschaft abgebildet. Eigentlich wollte ich ja den Sonnenuntergang sehen, aber bei den niedrigen Temperaturen war ich froh wieder im Hostel zu sein.

Zwei Welten prallen aufeinander

Der Kontrast zwischen Ulaanbaatar und dem Rest des Landes könnte größer nicht sein. Während die Menschen außerhalb der Stadt immer noch in Gers wohnen, ohne fließend Wasser und Elektrizität über eine Autobatterie beziehen, die durch Solarzellen aufgeladen wird, werden in UB Hochhäuser und Shopping Center gebaut. Während der Rest des Landes einem quasi leer erscheint, verstopfen in UB die unzähligen Autos die Straßen und das Häusermeer erstreckt sich bis zum Horizont. Die traditionelle mongolische Kleidung, die man überall sonst noch sieht, ist dort fast verschwunden, getragen werden die selben Sachen wie in den europäischen Metropolen. Obwohl die Mongolei ein buddhistisches Land ist, gibt es überall blinkende Christbäume und jedes einzelne Geschäft wünscht eine frohe Weihnacht.

Verlassener Freizeitpark
Verlassener Freizeitpark

Wer die Mongolei wirklich kennen lernen will, sollte sich auch von der unendlichen Weite und Ruhe des restlichen Landes faszinieren lassen. Es war ein kleiner Kulturschock nach der Gobireise zurück zukommen, aber ich war froh dass ich beide Seiten der Mongolei kennen gelernt habe und freute mich auf den letzten Abschnitt der Transsibirischen Eisenbahn...

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Kommentare: 1
  • #1

    Jochen (Montag, 14 März 2016 20:03)

    Ja, UB hat so seinen eigenen Flair. Aber inzwischen ist ja das "Neue UB" in Bau. Dann gibt es eine Standard-Großstadt mehr auf der Welt und die alte Stadt wird zu einem Slum verkommen.

    Viel Spaß auf der weiteren Tour !
    Jochen