Xi'an - Bunte Straßen, Lammspieße und Terrakotta Soldaten

Aufgrund einer kleinen Fehleinschätzung der Fahrtzeit zum Bahnhof, einer Verzögerung beim Ticketkauf und einer verpassten Metro, wurde es auf einmal ganz schön knapp, unseren Zug nach X'ian noch pünktlich zu erreichen. Als wir endlich im Bahnhof einfuhren stürmten die Treppen hinauf und wurden dann leider doch noch von einer weiteren Sicherheitskontrolle (Metalldetektor und Gepäck scannen) aufgehalten. In China sind sie an den Eingängen zu Bahnhöfen oder Metrostationen üblich. Wir hatten vielleicht noch sechs Minuten bis unser Zug fuhr! Am Eingang zu jedem Gleis befindet sich eine Art Gate, - wie am Flughafen - das gerade geschlossen werden sollte. Wild winkend signalisierten wir dem Personal noch auf uns zu warten und ich vermute Dank eines kleinen Ausländer Bonus ließen sie uns noch passieren. Wir rannten die Treppen hinunter zum Gleis und sprangen quasi einer nach dem anderem in den Zug. Ich hatte es gerade noch so geschafft, denn hinter mir wurden sofort die Türen geschlossen. Als ich keuchend den Waggon betrat wurde ich, wie die anderen auch, von unseren chinesischen Mitreisenden etwas verwundert angeschaut. So spät im Zug zu erscheinen ist wohl eher unüblich. Nachdem das Gepäck verstaut war, ließ ich mich immer noch schwer atmend auf mein Bett fallen. Geschafft!

Dreifach Bett
Dreifach Bett

Streetfood, Streetfood, Streetfood!

Die restliche Fahrt war dann wirklich entspannt. Wir fuhren über Nacht im sogenannten "Hard Sleeper", der zweiten Klasse. Hier gibt es nicht, wie in der ersten Klasse, dem "Soft Sleeper", ein Abteil mit vier Betten, sondern offene Nischen mit sechs Betten, je drei übereinander auf jeder Seite. Sie sind aber trotz des Namens nicht härter oder unkomfortabler. Unsere Betten waren die obersten, weil die am preiswertesten waren und mal ehrlich gesagt, wer möchte nicht in einem dreifach Stockbett im Zug oben schlafen?! Auf der anderen Seite des Ganges gab es einen kleinen Tisch und zwei Klappsitze, die sich für ein gemütliches improvisiertes Frühstück eigneten. Dank kontinuierlicher Versorgung mit heißem Wasser, gab es sogar Instantkaffee und wir fuhren erholt und munter in Xi'an ein. Da unser Hostel ganz in der Nähe des muslimischen Viertels lag, das bekannt für sein Streetfood ist, ließen wir es uns nicht nehmen, es gleich am ersten Abend auszuprobieren. Wir schlenderten durch die belebten Gassen und konnten uns an der Vielfalt der angebotenen Gerichte und Leckereien gar nicht satt sehen. Die vielen Farben und Gerüche sind kaum in Worten (oder Fotos) zu fassen. Es lief einem wirklich das Wasser im Mund zusammen. Wir setzten uns dann in ein kleines Lokal und mit Zeichen wurde uns erklärt, dass wir das Brot vor uns in kleine Stücke reißen sollten. Gesagt, getan! Aus dem Brot wurde mit Gemüse und Hammelfleisch ein wirklich leckerer Eintopf gezaubert, der uns als eine Art Vorspeise diente. Im Anschluss wurde fleißig weiter gegessen.

Es gab so viel zu probieren, dass uns ein Abend gar nicht reichte: Lammspieße, Burger, Kartoffeln, Tofu, Bananen und noch vieles mehr, alles gebraten, gegrillt oder frittiert. Außerdem gab es Kuchen, frisch gepresste Säfte und jede Menge Süßigkeiten. Viele der Sachen wurden direkt auf der Straße hergestellt, so gab es auch noch, nachdem man sich den Bauch voll geschlagen hatte, einiges zu entdecken. Leider waren nicht alle Erfahrungen positiv; an einem Abend mussten wir mit ansehen, wie ein Chinese ausrastete, sich auf die an der Straßenseite stehenden Stände stürzte und einige umwarf oder mit dem Arm die Waren einfach herunter fegte. Alle schauten ihn wie erstarrt an, aber keiner unternahm irgendetwas! Die verschreckten Verkäufer suchten ihre Sachen, die überall auf der Straße verteilt lagen, zusammen und bauten alles, so gut es ging, etwas weiter weg wieder auf. Anscheinend war der Mann so erzürnt, weil sie auf den Parkplätzen gestanden waren. Immer noch schreiend verzog er sich dann aufs Polizeirevier. Wir vermuteten, dass er dort arbeitete, denn keiner der Polizisten war eingeschritten, um ihn aufzuhalten.

Willkommen in China!

Der eigentliche Grund für unseren Besuch in Xi'an war nicht das Essen, sondern die berühmte Terrakotta Armee. Auf dem Weg zum Bus, der uns zu der Ausgrabungsstätte bringen sollte, sahen wir ein ungefähr zwölfjähriges Mädchen mitten auf dem Weg hocken. Noch bevor wir uns fragen konnten, was sie tat, sahen wir das Rinnsal zwischen ihren Beinen quer über den Bürgersteig laufen. Ohne wirklich zu wissen, wie wir uns verhalten sollten, stiegen wir darüber und gingen weiter. Lustigerweise hatten wir nur ein paar Minuten vorher festgestellt, dass wirklich an jeder Ecke öffentliche Toiletten ausgeschildert waren. Willkommen in China!

Die Ausgrabungsstätte der Terrakotta Armee liegt etwas außerhalb der Stadt und ist Teil des Mausoleums des Kaisers Qin Shihuangdis. Sie wurde 1974 zufällig entdeckt, als Bauern einen Brunnen graben wollten. Bis heute ist nur etwa ein Viertel der gesamten Anlage freigelegt worden. Die berühmten Soldaten befinden sich in drei Hallen, zwei kleineren und einer großen. Wir begannen nicht wie üblich mit der größten, sondern sparten uns das vermeintlich Beste für den Schluss unserer Besichtigung auf. Trotz Nebensaison war es relativ voll und nach einigem Kopf zerbrechen, fiel uns auf, das wir ausgerechnet am Wochenende dort waren! (Wenn man länger reist verlieren die Wochentage irgendwie an Bedeutung.) Da daran nichts mehr zu ändern war, machten wir das Beste draus und posierten mit den Chinesen für ihre Fotos. Ich verstehe zwar immer noch nicht warum, aber sie sind ganz verrückt danach Fotos mit fremden "Westerners" zu machen.

In den beiden kleineren Hallen wurden unter anderem Reiter, Infanteristen, Bogenschützen und Streitwagen freigelegt. Dort sind auch die verschiedenen Arten von Soldaten in Vitrinen ausgestellt, so dass man sie aus der Nähe begutachten kann. Ansonsten sieht man neben vereinzelten intakten Figuren viele große Scherbenhaufen in den verschiedenen Gruben liegen. Ursprünglich waren sie alle bunt bemalt, aber die Farben sind durch den Kontakt mit der Luft zerfallen. Das Highlight des Besuches ist natürlich die Haupthalle, in der sich insgesamt über 6.000 Soldaten befinden sollen, auch hier wird noch fleißig ausgegraben und zusammen gesetzt. Vom Eingang aus blickt man hinunter in die Reihen aus tausend steinernen Gesichter, die leblos zurück starren. Faszinierend ist neben der reinen Größe der Armee auch ihre Vielfältigkeit, denn keiner der lebensgroßen Krieger sieht gleich aus. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren Rängen, sondern auch in ihrer Statur und Körperhaltung. Jeder besitzt individuelle Gesichtszüge, unterschiedliche Frisuren und manche einen Bart. Es ist eine Armee aus über 7.000 Terrakotta Individuen, die den ersten Kaiser von China nach seinem Tod zur Seite stehen sollte.

Zum Rückweg gibt es eine weitere kleine China Anekdote zu erzählen. Wir saßen in dem Reisebus, der uns zurück in die Stadt bringen sollte. Er füllte sich schnell und nach einiger Diskussion wurden auch noch stehende Passagiere mitgenommen. Nicht weiter verwunderlich, da Verkehrssicherheit in China mit etwas anderen Augen gesehen wird. Während der Fahrt hielten wir plötzlich an und alle Stehenden stürmten hektisch aus dem Bus. Kurz danach sahen wir auch den Grund, eine Polizeikontrolle! Ein Stück die Straße hinunter blieben wir wieder stehen und sahen, die eben Ausgestiegenen im vollen Sprint auf den Bus zu laufen. Wer zu langsam war wurde nicht mitgenommen, trotz bezahlter Fahrt. "Chinese survival of the fittest!"

Zwei (oder drei) Kulturen treffen aufeinander...

Zurück im Hostel erwartete uns das nächste kulinarische Abenteuer: eine Dumpling Party! Gemeinschaftlich wurden aus Teig kleine Fladen ausgerollt, mit Schweinefleisch gefüllt und zu mal mehr, mal weniger schönen Wan Tans (engl. Dumplings) geformt, die wir dann später verspeisen durften. Sie waren wirklich lecker. Wir konnten natürlich trotzdem nicht auf unser Streetfood verzichten. Das muslimische Viertel ist aber nicht nur aufgrund des guten Essens interessant, sondern dort steht auch eine der ältesten Moscheen Chinas. Sie ist die größte der insgesamt zehn Moscheen dort und für Touristen zugänglich. Besonders faszinierend fand ich die Mischung aus traditioneller chinesischer und muslimischer Bauweise, die einem erst bewusst machte wie diese zwei Kulturen hier verschmolzen sind. Ganz klassisch chinesisch waren dahingegen der nahe gelegene Trommelturm und die kleine Wildganspagode beim Xi'an Museum. Bevor wir (Kirstie, Arthur und ich) dann in den Zug zu unserem Jangtse Abenteuer stiegen und uns von Johan (dem Schweden) verabschiedeten, gab es noch einen Oreo Blizzard bei Dairy Queen.

Wenn ihr wissen wollt, wo ich mich zur Zeit aufhalte...

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