Die Transsibirische Eisenbahn - Teil 2 von Irkutsk bis Ulan-Bator

Ich durfte endlich wieder Zug fahren, aber "nur" für 1113km und knapp 23 Stunden, mein Ziel die mongolische Hauptstadt Ulan-Bator. Diesmal konnte ich nicht auf meine bewährte Methode zurückgreifen, das Ticket am Automaten zu kaufen. Alle Tickets ins Ausland müssen an einem speziellen Schalter gekauft werden, den man ohne Hilfe unmöglich finden kann. Er befindet sich irgendwo am Bahnhof in Irkutsk im 2.Stock (bei uns der 1.Stock) und es gibt natürlich keine Schilder. Aber es gab an den Schaltern wieder mysteriöse Arbeits- und Pausenzeiten, die man als Ausländer nicht versteht. Da nur ein Schalter besetzt war, hab ich mich einfach dort hingestellt und wurde erstmal für 15 Minuten ignoriert. Man gewöhnt sich an solche Situationen in Russland. Meine Ausdauer machte sich bezahlt, ich wurde plötzlich beachtet und konnte ihr tatsächlich vermitteln, welchen Zug ich nehmen wollte und war nach einer weiteren Viertelstunde in Besitz meines Tickets.

Bahnhof in Irkutsk am frühen Morgen
Bahnhof in Irkutsk am frühen Morgen

Reisen im Touristenwagon

Ich musste ganz früh zum Bahnhof, ich hatte extra einen Zug ausgesucht, der tagsüber am Baikalsee entlang fährt. Auf meinem Ticket stand 2:53 Uhr, das war Moskau Zeit, also 7:53 Uhr in Irkutsk. Eine Kuriosität, die ich beim letzten Mal nicht erwähnt hatte, alle Zeiten der Fahrpläne werden in Moskauer Zeit angegeben.

Mein Abteil teilte ich mir zu meiner Überraschung mit einem Amerikaner, im Abteil neben uns waren zwei britische Mädchen quartiert. Bis auf zwei Russen und einen Chinesen am anderen Ende des Wagons waren wir ganz allein. Anscheinend werden Touristen von den Bahnangestellten alle zusammen gesteckt. Zum Glück hatte ich am Automaten freie Platzwahl und so die Möglichkeit mit Einheimischen reisen. Pünktlich setzte sich der Zug in Bewegung und ich konnte einen letzten Blick auf Irkutsk bei Sonnenaufgang werfen.

Letzter Blick auf die Angara bei Sonnenaufgang
Letzter Blick auf die Angara bei Sonnenaufgang

Obwohl wir fast nur Touristen waren sprach unser Provodnik, der Aufseher im Abteil, natürlich trotzdem kein Englisch. Es brauchte einige Anläufe bis er meine Frage nach einer chaschka (Tasse) verstanden hatte. Man kann sich mit der Aussprache noch so viel Mühe geben, man wird meistens eh nicht verstanden... Ich hatte im Speisewagen sogar Probleme eine Cola bei der Kellnerin zu bestellen, obwohl es exakt das gleiche Wort im Deutschen ist. Ich führte im Verlauf meiner Reise mehrere Gespräche, die ungefähr so verliefen:

Ich: "Cola!"

Sie: "?"

Ich: "Cola!"

Sie: "?"

Ich: "Cola?"

Sie: "?"

Ich machte eine Geste bei der ich aus einem imaginären Glas trinke.

Sie: "Chai?" (Tee)

Ich (langsam verzweifelt): "Noo, cold! Coooola!"

Sie: "Ah! Cola!"

Ich: "Das hab ich doch die ganze Zeit gesagt!"

Immerhin hab ich meine Cola bekommen. Normalerweise bekommt man zu allen Mahlzeiten Tee serviert, aber bei gefühlten 40°C Raumtemperatur war das für mich keine Option. Egal wo man in Russland ist, drinnen wird die Heizung immer voll aufgedreht. Ob die niedrigen Ölpreise wohl etwas damit zu tun haben? Nachts habe ich meistens nur unter dem Bettbezug geschlafen, weil es ansonsten einfach viel zu warm war.

Es hat zum Glück auch Vorteile mit anderen Touristen zu reisen, man kann sich wirklich mit jemandem unterhalten und wird nicht irritiert angeschaut, wenn man seine Spiegelreflex zückt, um ein Bild vom Abteil zu machen.

Auf Wiedersehen Baikalsee! Auf Wiedersehen Russland!

Wenn ich aus dem Zug wieder ausstieg, wäre ich nicht mehr in Russland. Mit 29 Tagen hatte ich fast die gesamte Zeit meines erlaubten Aufenthaltes genutzt. Ich bin der Meinung, dass 30 Tage definitiv zu wenig sind für eine so großes, interessantes und schönes Land. Ich hab nur einen kleinen Teil, von dem was Russland zu bieten hat, gesehen. Aber ich bin froh, dass ich mir Zeit gelassen habe und sie genießen konnte. Hoffentlich werde ich Mütterchen Russland noch einmal besuchen, schon allein um endlich eine Baikalrobbe zusehen.

Die Schienen der Transsibirischen Eisenbahn verlaufen zwischen Irkutsk und Ulan-Ude am südlichen Ufer des Baikalsees entlang. So konnte ich nochmal einen langen, letzten Blick auf ihn werfen, um mich zu verabschieden. Um 12:09 Uhr (Moskau Zeit natürlich) ging dann die Sonne unter und besiegelte das Ende meines letzten Tages in Russland. Hoffentlich bis bald!

Jetzt konnten wir nur noch auf die berüchtigte Grenzkontrolle in Naushki warten. Ungefähr 20 Minuten vor Ankunft an den Bahnhöfen werden die Toiletten abgesperrt, denn es gibt keine Auffangbehältnisse. Man kann sogar die Schienen sehen, wenn man den Mechanismus betätigt. Wir hatten 110 Minuten geplanten Aufenthalt am Bahnhof und sehr unterschiedliche Informationen über den Ablauf der Kontrolle. Mein Reiseführer sagte, man darf vor der Passkontrolle den Zug verlassen, der der Britinnen danach und im Endeffekt durften wir gar nicht raus. Die Pass- und Zollkontrolle war auf russischer Seite sehr einschüchternd. Es betraten mehrere grimmig drein blickende Uniformierte den Zug, erst wurde unser Gepäck untersucht. Dann kam die Passkontrolle, man wurde mit einem "Stand up! Look up!" auf Größe und Augenfarbe überprüft und es gab den Ausreisestempel in den Pass. Wir dachten schon wir hätten es geschafft, da kam noch ein "Get out!" und die nächste Patrouille überprüfte das Abteil mit einem Spürhund. Anschließend hieß es warten bis zur Weiterfahrt.

Willkommen in der Mongolei

Am mongolischen Grenzbahnhof Sukhbaatar hatten wir 105 Minuten Wartezeit. Wir standen also insgesamt über drei Stunden an der Grenze und ich hatte dummerweise mein Buch schon vorher durch gelesen. Unser erster Eindruck von der Mongolei war positiv. Zu unserer Überraschung waren die mongolischen Grenzbeamten sehr freundlich. Sie haben sogar gelächelt und konnten tatsächlich Englisch sprechen, ein starker Kontrast zu Russland. Nach der Kontrolle durften wir auch endlich den Zug verlassen. So stand unsere kleine internationale Gruppe, bestehend aus dem Amerikaner, den zwei Britinnen und mir, mitten in der Nacht an einem verlassenen Gleis in der Mongolei. Ab und zu stiegen ein paar Funken aus dem Schornstein unseres Wagons in die kalte Nachtluft. Es war schwer zu glauben, dass ich mich wirklich schon in der Mongolei befand...

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Kommentare: 1
  • #1

    Jochen (Mittwoch, 18 November 2015 14:18)

    Hi Sabine ! Die Mongolei ist wunderschön. Schau zu, dass du aus Ulan Bator raus kommst und dir die sagenhafte Landschaft anschaust. Die Wildnis fängt gleich hinter den Hügeln von Ulan Bator an - also los !
    Viel Spaß
    Jochen