Sibirien Teil 1 - Schlaflos in Irkutsk, eine Hütte im Wald und zu viel Schnee

Wie voraus gesagt, konnte ich nicht schlafen...

Das lag aber wohl eher nicht am fehlenden Ruckeln und Rattern, sondern an den fünf Stunden Zeitver-schiebung und am meisten daran, dass ich das Bett neben der Tür in einem 12-Bett-Zimmer hatte. Mit der Müdigkeit und zusätzlich auch noch Kopfschmerzen kam das erste Mal so etwas wie Heimweh auf. Das war aber am nächsten Tag gleich wieder verflogen, als ich zum ersten Mal mit einem russischen Bus fahren musste, um in die Irkutsker Innenstadt zu kommen. Lustigerweise sind hier viele Busse mit Vorhängen dekoriert. Ich kam natürlich nicht da aus, wo ich hin wollte und so erkundete ich die Stadt mal wieder zu Fuß.

Wappen von Irkutsk
Wappen von Irkutsk

Irkutsk - Folge der grünen Linie!

Der einfachste Weg zu den Sehenswürdigkeiten besteht aus einer grünen, auf den Gehweg gemalten Linie. Wenn man ihr folgt kommt man an so ziemlich allem Wichtigem vorbei und es gibt sogar Schilder in Englisch! Ein zusätzlicher Vorteil ist, dass man sich wirklich nicht verlaufen kann...

Irkutsk ist eine eigentümliche Mischung aus alten, windschiefen Holzhäusern mit sehr prunkvoll geschnitzten Verzierungen, modernen Gebäuden und Plattenbauten. Das von den Einheimischen empfohlene 130th Quarter, ein auf traditionell gemachtes Viertel mit lauter teuren Bars, Restaurants und Souvenirläden für Touristen, hat mich eher enttäuscht. Begeistert war ich hingegen von dem Gargarin Boulevard an der Angara, übrigens dem einzigen Abfluss des Baikalsees, dort hat man eine wunderschöne Aussicht und das sogar kostenlos. Spannend ist auch der Central Market, dort gibt es tausende Stände mit den unterschiedlichsten Nahrungsmitteln und direkt gegenüber gibt es das Äquivalent mit Textilien und Schuhen. Man darf sich nur nicht daran stören, alle paar Meter auf Russisch angesprochen zu werden.

Auf dem Rückweg zum Hostel musste ich noch ein kleines Abenteuer bestehen. Ich stieg in den Bus Nummer 80, mit dem ich auch in die Stadt gefahren war, an der Haltestelle auf der gegenüber liegenden Straßenseite, an der ich ausgestiegen war. Meiner Meinung nach müsste der Bus dann auch in die entgegengesetzte Richtung fahren. Falsch gedacht! Zu Beginn war ich noch der Überzeugung wir würden nur eine Einbahnstraße umfahren, aber wir fuhren immer weiter in die falsche Richtung. Irgendwann waren wir soweit außerhalb des Zentrums, dass ich mich nicht mehr traute auszusteigen und hoffte, der Bus würde schon irgendwann wieder Richtung Stadt fahren. Ich kam sogar tatsächlich am Hostel an, nach dem ich für 12 Rubel eine komplette Stadtrundfahrt gemacht hatte. Ich kam sogar am Flughafen vorbei.

Sabine fährt Bus!
Sabine fährt Bus!

Listvyanka - Abseits vom Trubel

Nachdem ich so viele Städte gesehen hatte, wollte ich endlich raus in die Natur und endlich den Baikalsee sehen. Von Irkutsk aus fährt man ca. eine Stunde mit dem Minibus nach Listvyanka, ein Touristendorf, das direkt am Baikalsee liegt. Dort hatte ich eine Unterkunft gefunden, die etwas abseits, fast im Wald lag. Genau das Richtige für mich nach der urbanen Hektik, wobei davon in Irkutsk auch schon deutlich weniger zu spüren war. Um zum Hostel zukommen, musste ich noch 20 Minuten den Berg hinauflaufen. Hinter der letzten Kurve, wo die asphaltierte Straße schon aufhört, konnte ich sie dann sehen, meine Holzhütte im Wald.

Belko Hostel in Listvyanka
Belko Hostel in Listvyanka

Am 4.11., einem Feiertag in Russland, waren sehr viele Leute (und Autos!) in Listvyanka und es herrschte plötzlich ein reges Treiben in dem kleinen, außerhalb der Saison wie ausgestorben wirkendem Dorf. Viel zu unternehmen gibt es dort nicht wirklich, aber es gibt den Baikalsee! Man kann ihm einfach nicht gerecht werden, weder mit Fotos und noch mit Beschreibungen. Er ist unbeschreiblich groß, schön und jeden Tag hatte das Wasser eine andere Farbe, je nach Wind und Wetter. Manchmal gab es sogar richtige Wellen, man fühlt sich eher wie an einem Meer, nicht wie an einem See. Durch den höheren Gefrierpunkt des Süßwassers bilden sich aber im Winter tolle Eisgebilde am Ufer. 

Gleich am ersten Abend bekam ich einen spektakulären Sonnenuntergang zusehen und in der Nacht konnte ich endlich in Ruhe schlafen, denn ich war die Einzige im Zimmer. Am nächsten Tag reisten ein britisches Ehepaar, Kirstie und Arthur, und eine Russin, Natasha, an, ein gücklicher Zufall für mich, aber dazu später mehr. Mit Kirstie und Arthur bin ich einen Tag lang am Ufer des Sees in Richtung Angara und dann hoch zum Aussichtspunkt Chersky Stone gelaufen. Das hat sich wirklich gelohnt, wir hatten sehr klares Wetter, eine perfekte Aussicht und zusätzlich gaben gerade Hare Krishna Anhänger ein kleines Ständchen.

The Great Baikal Trail - Eingeschneit!

Ich wollte wirklich gerne ein Stück des Baikal Trails entlang wandern, es ist nur nicht so einfach zu organisieren außerhalb der Saison. Manche Orte sind zur Zeit gar nicht wirklich bewohnt und die Übernachtungsmöglichkeiten geschlossen. Touristen verirren sich meistens erst ab Ende Dezember oder Januar wieder hierher, wenn der See zugefroren ist. Doch das Schicksal meinte es gut mit mir, denn Natasha wollte nach Bolshoye Goloustnoye laufen, weil der Bus nicht fuhr. Ziemlich verrückt, wenn man bedenkt, dass eine fast 50km lange Wanderung, die einzige andere Möglichkeit für sie war, dorthin zu gelangen. Arthur und Kirstie hatten sie schon gefragt, ob sie sie begleiten könnten und ich durfte mich anschließen. 

Der Anfang des Trails verläuft zuerst landeinwärts, hoch auf einen kleinen Berg und zurück an die Küste, an der er dann entlang läuft. Wir kamen schnell voran und waren am Nachmittag in Bolshiye Koty, wo wir die erste Nacht verbringen wollten. Dank Natashas Verbindungen war die Banya, eine russische Sauna, schon vorgeheizt, als wir ankamen. Es war sehr entspannend nach der Wanderung in der Wärme zu sitzen und sich mit einem Venik, einem Bündel aus in heißem Wasser eingeweichten Zweigen, schlagen zu lassen. Angeblich sollen die Säfte der Blätter gut für die Haut sein. Es war auf jeden Fall eine angenehme Massage und eine lustige Erfahrung. Anschließend bot der Baikalsee eine tolle Gelegenheit zur Abkühlung. Es war bestimmt ein komischer Anblick wie drei dürftig bekleidete Touristen bei -2°C den Weg zum See hinunter rennen und ins Wasser springen, nur um nach ein paar Sekunden wieder an Land zukommen.

Die Nacht verbrachten wir bei Baba Nina, Großmutter Nina, die nur Russisch sprach. Da Natasha bei einem Bekannten übernachtete, war die Verständigung etwas mühselig. Wir bekamen ein warmes Abendessen, die Gastgeberin hatte sogar extra etwas Hühnchen unter Kirsties Kohl versteckt. Sie ist Vegetarierin, das hatte Natasha auch extra gesagt. Aber so sind die Russen nun mal, sie glauben nicht an Vegetarier.

Am nächsten Morgen wollten wir uns frisch gestärkt, es gab Blinis zum Frühstück, zum zweiten Tag der Wanderung aufmachen. Er sollte sogar der schönere Teil sein, das ist der Grund, warum ich auf dem ersten Stück nicht so viele Fotos gemacht habe. Nur leider machte uns der Schnee einen Strich durch die Rechnung. Es war unerwartet in der Nacht so viel gefallen, dass Natasha meinte, es sei zu gefährlich weiterzugehen. Es gab für uns nur zwei Möglichkeiten nach Listvyanka zurückzukommen, zu Fuß über einen anderen Weg etwas weiter landeinwärts oder mit einem Boot. Eine befahrbare Straße gibt es nämlich nicht. Wir entschieden uns für die Wanderung, Natasha wollte in Bolshiye Koty bleiben, und so machten wir uns zu dritt auf den Weg zurück. Es war wirklich anstrengend durch den hohen, frisch gefallenen Schnee zu laufen und die Strecke ist länger als der Great Baikal Trail und verläuft ziemlich lang bergauf. Mit letzter Kraft kamen wir nach fast acht Stunden und einigen Stürzen in den Schnee wieder im Belko Hostel in Listvyanka an. Unsere 1-Liter-Dosen Baltika 3 hatten wir uns an dem Abend wirklich verdient!

Nach drei gemeinsamen Tagen musste ich mich von Kirstie und Arthur verabschieden, denn für mich ging es weiter auf die Insel Olchon. Im Sommer ist sie Ziel vieler Urlauber, ich bin gespannt wie es zu dieser Jahreszeit dort aussieht...

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Sabine (Dienstag, 10 November 2015 07:29)

    Wie immer wunderschöne Fotos, erstmal alle gespeichert, weil Mama die unbedingt sehen will! Voll spannend, was du da alles erlebst, bin glatt neidisch!

  • #2

    Marlen (Dienstag, 10 November 2015 17:44)

    Hallo Sabinchen,
    prima das du uns an deinen Erlebnissen so dran teilnehmen läßt.schön das es dir so gut geht.viel spass und lass es dir weiterhin gut gehen.lg