Sankt Petersburg - Russisches Zugroulette und Hooligans

Wie schon erwähnt ist Zug fahren in Russland nicht so einfach. Man kann nicht einfach ein Ticket kaufen und losfahren. Als allererstes braucht man seinen Pass, sonst kommt man hier nirgendwo hin, nicht mal in den Besitz eines Tickets. Die Schalter sind meistens überfüllt und niemand spricht Englisch. Die einfachste Variante für Ausländer ist ein Ticket am Automaten zu kaufen, wenn man einen findet. Der stellt sich auch brav auf Englisch um, wenn man eine ausländische Kreditkarte benutzt. Nachdem ich endlich den richtigen Zug ausgewählt und die ganzen bürokratischen Fragen beantwortet hatte, bekam ich dann dieses (euch schon bekannte) Ticket, diesmal hab ich ein paar Erläuterungen hinzugefügt:

Ah, Deutsches Fräulein!

Immerhin wusste ich, dass ich zum Bahnhof Leningradski muss, oder war mir einigermaßen sicher. Das hieß mit der Metro vom Hostel zur Station Komsomolskaja und dann von dort den Schildern zum Bahnhof folgen, die sich leider irgendwann im Nichts verlieren. Also bog ich nicht, wie es richtig gewesen wäre, nach rechts ab, sondern folgte brav den Schildern zu den Long Distance Trains, nur leider am falschen Bahnhof! Da mein Zug komischerweise nicht angeschrieben stand, zeigte ich einem Polizisten mein Ticket. Er gab mir zu verstehen zu warten. Nach fünf Minuten und steigender Nervosität, ich hatte zum Glück etwas mehr Zeit eingeplant um das Gleis zu finden, kam er mit einem Kollegen zurück, der gebrochen Englisch sprechen konnte. Er zeigte mir netterweise den Weg zum richtigen Bahnhof und fragte, wo ich denn her käme. Auf meine Antwort aus Deutschland sagte er: "Ah, deutsches Fräulein!“

Nun war ich mit meinem Ticket immerhin schon mal am richtigen Bahnhof. Der Rest war dann nicht mehr so schwer, mit viel "fragen“ oder eher zeigen und wild gestikulieren, kam ich am Gleis, im richtigen Wagen und an meinem Platz an. Es handelte sich dabei um ein Vier-Bett-Abteil, das ich zum Glück nur noch mit einer anderen Person teilen musste. So konnte ich nach der ganzen Aufregung in Ruhe einschlafen und in Sankt Petersburg aufwachen.

Ein Stromausfall mit Folgen

Der Weg ins Hostel war diesmal, aufgrund einer sehr ausführlicher Beschreibung, schnell gefunden. Da ich sehr früh am Morgen ankam, war mein Zimmer noch nicht fertig und ich durfte mich so lange in den Aufenthaltsraum setzen. Man fühlt sich dort sofort wie zu Hause und für mich stand fest, dass ich meinen Tag dort verbringen um an meinem Blog zu arbeiten und mich von dem ganzen Sightseeing der letzten Tage zu erholen.

Irgendwann am späten Nachmittag gab es dann einen Stromausfall und wir saßen im Dunkeln. Das Problem mit dem Licht konnte mit Hilfe von Teelichtern behoben werden und ein paar Chinesen packten sogar ihre Gitarre aus und machten etwas Musik. Das Arbeiten am Laptop konnte ich aber wohl oder übel vergessen. Doch es ergab sich eine andere Möglichkeit, sich die Zeit zu vertreiben. Ich kam mit Chris ins Gespräch; er macht auch eine Weltreise, aber genau anders herum und das ganz ohne fliegen! Wir hatten uns natürlich jede Menge zu erzählen, dabei erwähnte er, dass er zu dem Champions League Spiel Sankt Petersburg gegen Lyon gehe und ob ich nicht Lust hätte ihn zu begleiten. Natürlich hatte ich das!

Gesagt, getan! Zwei Tage später waren wir auf dem Weg Stadion und wollten vorher noch etwas essen, als wir das Schild zu einem Irish Pub namens O'Hooligans entdeckten. Welcher Ort könnte besser geeignet sein um sich auf ein Fußballspiel einzustimmen? Das Essen war ausgezeichnet, das Bier auch und damit hatte ich quasi meine Sankt Petersburger Stammkneipe gefunden.

Unsere Plätze im Stadion grenzten direkt an die Zenit Fankurve, die Stimmung war dort einfach super, vor allem nach der schnellen 1:0 Führung. Durch die Torchancen von Lyon, die wirklich nur mit einer handvoll Fans angereist waren, wurde das Spiel aber nicht weniger aufregend. Es wurden jede Menge Fangesänge angestimmt, von denen ich keinen einzigen gekannt, geschweige denn verstanden hätte, nur die Melodie zu Kasatschok hab ich erkannt.

Leider konnten wir kein obligatorisches Stadionbier trinken, da es keinen Alkohol zu kaufen gab, zum Glück hatten wir ja vorgesorgt. Es wurde ein spannendes und torreiches Spiel. Mein erstes Champions League Spiel, ein einmaliges Erlebnis aufgrund eines Stromausfalls!

Zum Abschluss auf den Spuren eines Mörders

Ansonsten muss ich zugeben, hat mir Sankt Petersburg nicht so gut gefallen wie Moskau, obwohl es dort an Sehenswürdigkeiten natürlich nicht mangelt. Irgendwie fehlte mir der Bezug zur Stadt und diese Mischung aus Moderne und Tradition, die Moskau so perfekt beherrscht. Ein paar der typischen Touristensachen wie einer Bootsfahrt und den Besuch Eremitage ließ ich mir natürlich trotzdem nicht entgehen.

Besonders gut hat mir ein Spaziergang gefallen, den ich auf der SZ Reiseseite gefunden hatte (http://www.sueddeutsche.de/reisefuehrer/st-petersburg/stadtspaziergaenge). Er folgt den Spuren Raskolnikows, des Mörders aus Dostojewskis "Schuld und Sühne“ bzw. heutzutage heißt es ja "Verbrechen und Strafe". Der Ausflug entwickelte sich zu einer Art Schnitzeljagd an den Ufern der idyllischen Kanäle entlang. Nach einer kleinen Stärkung in Form von flüssigem Schokoladenkuchen und Irish Coffee ging es weiter bis zur Isaakskathedrale. Ich bin der Meinung man bekommt am besten ein Gefühl für eine Stadt und deren Einwohner, wenn man mal mehr, mal weniger ziellos durch die Straßen schlendert und die ganze Atmosphäre einfach auf sich wirken lässt und am besten nicht dabei seine Sightseeing-To-Do-Liste im Kopf abhakt.

In Sankt Petersburg hatte ich auch die Aufgabe, meine Reise weiter zu planen und ich habe es tatsächlich geschafft meine erste Fahrkarte für die Transsibirische Eisenbahn zu kaufen, für die Strecke Moskau – Irkutsk. Den direkten Zug von Sankt Petersburg nach Irkutsk, den ich ursprünglich nehmen wollte, gibt es nicht mehr. Deswegen muss ich erst mit einem Nachtzug nach Moskau, um von dort weiter zu fahren. Ich werde also die nächsten fünf Nächte im Zug verbringen und wie ich mich nach fünf Tagen ohne Dusche fühle, berichte ich das nächste Mal...

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Kommentare: 1
  • #1

    Christa F. (Sonntag, 01 November 2015 14:12)

    Hallo Sabine!
    Mit großer Neugier habe ich die ersten Beiträge Deines Reiseblogs gelesen. Schön, dass so ein alter Stubenhocker und Angsthase mit Deiner Hilfe mal etwas von der großen, weiten Welt zu sehen bekommt! Meine ganze Familie und natürlich auch Oma und Opa werden Dich weiterhin beim Reisen "begleiten" und wünschen Dir viel Spaß in Irkutsk!
    Bis bald und bleib Dir treu! LG Christa.